Heute: Zielgruppenspezifische Werbung
Menschen, besonders solche in Informationsberufen, hinterlassen ständig Spuren im Internet. Aufgrund dieser Spuren wird man dann schon einmal der ein oder anderen Konsumentengruppe zugeordnet. Einmal zu oft nach einem aktuellen Buch zum Suchtmittelgesetz gegoogelt, schon landet man in einer Kategorie mit special interest für den Drogenmarkt.
Anhand von Spam-Mails und eingeblendeter Werbung kann unsereins Bibliothekarin ja recht leicht überprüfen welches schöne (oder hässliche) Bild sich da abzeichnet. Mein virtuelles Ich gibt mir aber schon seit längerem Rätsel auf.
Die Faktenlage: Ich bekomme Werbung für Viagra, und zwar nicht mal selten. Der hiesige Möbelhändler macht mich unter dem Stichwort “Wenn die starke Hand nicht reicht” auf Kettensägen und ähnliches Brachial-Spielzeug aufmerksam. Und dann wären da noch die netten Damen aus fernen Ländern, die mich besorgniserregend häufig per Ferndiagnose zum Ehemann auserwählen.
Die Sache ist klar: Ich muss ein Mann sein. Ein Mann in den besten Jahren, vermögend, vielseitig interessiert, eine gute Partie.
Ich versuche mir mein virtuelles Ich vorzustellen, diesen weltoffenen und finanziell potenten Lebemann, der wochenends im Penthouse-Dachgarten die Kettensäge schwingt.
Nur: welche Klicks und Suchabfragen haben mir diesen zweifelhaften Ruf als “American Psycho” eingetragen? Auf welchen Irrwegen war ich denn da unterwegs dass mir Algorithmen solche unerhörten Dinge vorschlagen? Oder bekommen das alle? Ist das so eine Art kleinster gemeinsamer Nenner der in Studien mühsam errechnet wurde?
Auf eine komische, paradoxe chauvinistische Art schmeichelt mir das sogar. Lieber das, als Werbung für Diätpillen, Ovulationstests und Unterwäsche, oder womit man sonst als Frau so zugemüllt wird.
Dann doch lieber die Kettensäge.
Also, liebe Leserinnen und Leser, ich grüße recht artig und werde an Sie denken, wenn ich demnächst wieder mit stolzgeschwellter Brust und Damenbegleitung beherzt zur elektrischen Heckenschere greife.