All advocates are equal. But some are more equal.

“Sehr geehrte Eltern von Konstantin!

 durch ein bedauerliches Missverständnis ist Ihnen ein Brief
übermittelt worden, der so unser Haus niemals verlassen hätte dürfen;
betrachten Sie ihn daher bitte als gegenstandslos.
Die junge Kollegin, die ihn schrieb, war in Unkenntnis über das enge
traditionsreiche Band, das Ihre Familie mit unserem Haus verbindet, wissen wir
doch alle dass schon weiland Konstantin Senior, der ehrwürdige Hofrat Dr. Dings
ein allseits geschätzter Studiosus an dieser Anstalt war! Hätte die junge Kollegin
um die ehrbare Familie unseres lieben Konstantin gewusst, sie wäre gewiss
niemals auf einen solch lachhaften Schabernack verfallen und es ist alleine
ihrer mangelnden Erfahrung geschuldet, dass Sie, geschätzte Eltern, dieser
schändlichen Zeilen überhaupt angesichtig werden mussten. Die Kollegin wurde
bereits in eine Abteilung versetzt, in der sie keinen Schaden mehr anrichten
kann.

 Keinesfalls wollten wir in irgendeiner Form andeuten, das
Verhalten Ihres Sohnes wäre auch nur im Geringsten nicht standesgemäß oder
unpassend!
Seine gewiss wohl in manchen Büchern aufgefundenen Notizen als „Schmiererei“ zu
interpretieren, konnte nur einem völligen ungebildeten Laien der modernen Kunst
unterlaufen, der die offensichtlichen graphischen Begabungen Ihres Sohnes
Konstantin grausam verkennt. Es würde uns im Traum nicht einfallen, dem Genius Ihres
Sohnes durch kleingeistige Regeln irgendwelche Beschränkungen aufzuerlegen
– er ist ganz offensichtlich hochbegabt.

Auch ist es der ungestümen Jugend schwerlich zu verübeln, wenn sie in einem
gewissen verständlichen Überschwange einmal das korrekte Einparkieren des väterlichen
Wagens forschen Mutes an Subalterne delegiert, oder im ritterlichen Wettstreit
mit Kommilitonen um das juristische Material auf wohlerworbenene familiäre
Vorrechte pocht, allein:
der wissenschaftliche Eifer und das Streben zu höheren
juristischen Ämtern entschuldigt alle Mittel!

Und wer wollte es einem jungen aufstrebenden Kandidat des
Anwaltsamtes verübeln, wenn er das geschickte Verhandeln und die rhetorischen
Stilmittel auch im hitzigen Telefongespräch schulte, auch und gerade in der
Bibliothek, nicht wahr? 🙂

Wir entschuldigen uns nochmals aufrichtig für das peinliche Missgeschick, und
wünschen Ihrem Sohn weiterhin nur das Allerbeste auf seinem beruflichen
Werdegang; er wird gewiss ein charakterstarker Jurist von Format.
Ganz herzlich bedanken möchten wir uns im Namen aller KollegInnen für die
äußerst großzügige Spende aus Ihrer Privatstiftung, die Sie unserer Bibliothek
zuteil werden ließen.
Wir werden Ihrer eingedenk stets mit
Stolz und Dankbarkeit auf die silberne Ehrentafel blicken.
mit freundlichen Grüßen,
in Demut.
die Bibliotheksleitung