Erinnerungslandschaften

#Gedächtnisbibliothek

Gemäß der Formulierung eines unserer Kollegen, dass Handbibliotheken “ERINNERUNGSLANDSCHAFTEN” seien, habe ich hier ein paar Worte zur Gedächtnisbibliothek Prof. Rill geschrieben, die wir vor kurzem zur Bearbeitung übernommen haben.

Hand- oder Nachlassbibliotheken sind Erinnerungslandschaften, weil sie Einblick darin geben, mit welchen Themenkomplexen sich Forscher/innen zu einer Zeit ihres Schaffens beschäftigt haben. Eine solche Bibliothek zu erschließen ist immer etwas ganz Besonderes, und häufig findet man in solchen Beständen auch Bücher, die für sich alleine genommen überhaupt keinen Sinne ergeben, und erst in Kombination mit ein, zwei anderen Werken zu einem stimmigen Akkord zusammenwachsen.

Nicht selten findet man daher auch in Bücher eingelegte Zeitungsartikel, Rezensionen oder Rechtsmeinungen von Berufskollegen, über die der Nachlasser sich gefreut oder geärgert hat, und die eine besondere zusätzliche Fußnote zu einem juristischen Diskurs abliefern; (siehe oben “Ein Armutszeugnis – Studie über die Wirtschaftsuniversität”) – eine Praxis des Einlegens von Zeitungsausschnitten, die leider zunehmend im Aussterben begriffen ist.

Die meisten Nachlassbibliotheken bestehen aus einem sogenannten “Filetstück” (man verzeihe mir diese etwas flapsige Wort-Entlehnung von einem Prof. der hiesigen Anstalt): Dies sind oft ältere, teilweise auch wirklich wertvolle Bücher, die dem zentralen Sammlungsschwerpunkt des Forschers entspringen und das eigentlich Interessante am Bestand darstellen. Das Filetstück wird in jedem Fall aufgehoben und erschloßen, sofern die Bibliothek es zu Gesicht bekommt.
Umkränzt wird dieses “Filetstück” meistens von einem gewissen, nennen wir es einmal höflich: Sammelsurium: verschiedenste Auflagen von Lehrbüchern und Kommentaren, an denen der Nachlasser herausgebend mitgewirkt hat. Hinzu kommen Buchgeschenke von Kollegen, die von der juristischen Entwicklung, dem Auf und ab des Verlagsmarktes bereits vielfach wieder abgelöst und eingeholt worden sind, die aber durch eine Vielzahl von lieben persönlichen Widmungen eine eigene Geschichte erzählen, an Symposien,  Veranstaltungen erinnern und Zeugnis langjähriger akademischer Wechselbeziehungen geben.
Abschließend findet man dann häufig noch das eine oder andere Kuriosum, belletristische Werke oder Klassiker des Juristenhumors (siehe oben: “Das Klopapier im österreichischen Recht”).

Die Aufgabe der Bibliothek besteht, so sie denn die Möglichkeit dazu erhält und nicht überhaupt nur das “Sammelsurium” übernimmt, in der Erschließung und Sortierung des Bestandes. Dabei gilt es das Wesentliche vom Unwesentlichen mit einem gewissen Augenmaß zu scheiden, ohne dabei den Bestand allzu sehr auseinander zu reißen oder in bibliothekarischer Rührseligkeit zu versumpfen.
Aufschluss dabei geben nicht zuletzt auch die Kollegen des spendenden Instituts, die den Bestand für eine Bearbeitung durch die Bibliothek vorsichten und aus der Sicht ihrer Institutsgeschichte heraus überblicken.