„Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich lesen? und: Was soll ich schreiben?“
Die Verlage verwöhnen dieser Tage mit einer Parade von kreativen Werbemitteln (ich schrieb hier neulich schon über meine Kodex-Tasche). Nun gibt es zum 40 Jahre Kodex Jubiläum auch die passende Broschüre (ich warte nur noch auf das Notizbuch in Kodexform), außerdem saftige Rabatte, und ein Folder über Erscheinungen aus dem Arbeitsrecht von MANZ kommt gleich als ganzes aufklappbares Papierhäuschen daher. Ehrlicherweise muss ich ja gestehen, dass man mich mit solchen billigen Taschenspieler-Tricks einfach kriegt, also ich bin für kreatives Marketing schon sehr anfällig.
In den Medien hört man in letzter Zeit viel über Influencer. Das sind diese (mostly) jungen Leute, die ihr Geld damit verdienen auf Plattformen Werbung für Produkte, Reisen und Livestyle zu machen. Und zwar ist das Werbung die möglichst nicht wie Werbung wirken soll, sondern mehr so also würde einem eine gute Freundin zwinker zwinker den absoluten Geheimtipp geben.Ich frage mich dann immer, ob ich in Wahrheit nicht selbst auf eine Karriere als Influencerin zusteuere oder gar schon eine bin, nur dass ich eben Werbung für Bücher und Bibliotheken mache. Mit einer lieben Kollegin (Grüße!) habe ich vor Jahren schon darüber gewitzelt wie unsere Karrieren als Bibliothekarische Influencerinnen aussehen würden: Wir würden das Essen in der Mensa kommentieren und uns mit diversen Verlagstaschen und T-Shirts ausstatten lassen, außerdem würden wir natürlich jeden Tag ein Video online stellen, in dem man uns sich räkelnd mit verschiedenen juristischen Fachpublikationen sieht. Etwa so: „Also morgens, nach dem Aufstehen, da gönne ich mir erst mal einen schönen Chai Latte und ein Kapitel vom PSK Grundriss des Bürgerlichen Rechts in der 5. Auflage mit Glossar, um richtig wach zu werden!“, oder „An Regentagen nehme ich ja immer gerne den Rummel zur Hand, und genieße ein zwei Passagen Kommentierung zum Stellvertretenden Commodum!“.
Bedauerlicherweise lesen sich ja juristische Texte häufig eher so:
Mit unserem Charme würden wir noch der letzten spröden Festschrift zu Ruhm und Esprit verhelfen. Studierende würden uns zujubeln und hypen, Lehrende würden uns beknien ihre neuesten Publikationen zu bewerben.
Vielleicht zu Unrecht aber haben Influencer einen relativ schlechten Ruf und werden häufig belächelt, sie würden nichts Gescheites arbeiten. Für unsere Eltern ist es rätselhaft, dass man seinen Lebensunterhalt damit verdienen kann, akribisch verschiedene Kopfhörer-Sets oder Energy-Drinks in eine Smartphone Kamera zu halten, und dabei ihre Vor- und Nachteile zu besprechen. Neulich las ich, dass Influencer aber auch nichts anderes seien als die Kaffeefahrten-Organisateure und Haustür-Staubsauger Vertreter der 50er Jahre. Wenn man sich also vor Augen hält, dass das Empfehlen von Makeup-Produkten und Yogahosen auf Instagram auch nichts anderes ist als die Frau, die mit dem Strahlen im Gesicht sagt: ‚Aber dann hat mir meine Freundin Perlweiß empfohlen!“, dann ist das alles auch wieder gar nicht so neu.
Früher gab es diese Werbespots für Abführmittel, in denen meistens eine Frau von Verdauungsbeschwerden geplagt war. Dann kam Mutti ins Bild (beim Waldspaziergang) und verriet mit verschwörerischer Stimme ihr Geheimnis gegen das unangenehme Magengrummeln. Das Konzept von Influencing basiert auf einem ähnlichen Vertrauensverhältnis: Wenn Mutti es sagt, nunja sie muss es ja wissen, wenn die Dings dieses Produkt verwendet, also dann muss es ja gut sein.
Ob Abführmittel oder Energydrink: Jede Zeit bekommt eben die Werbung, die sie verdient.
Also, folgen Sie mir weiter und warten Sie auf meinen Durchbruch, damit Sie dann eines Tages sagen können: ICH kannte sie ja schon, da war sie noch nicht berühmt!“
Sehen Sie abschließend hier den Werbefilm „Eine Frau hat zwei Lebensfragen“ von Dr. Oetker, 1954:
Eine Frau hat zwei Lebensfragen