Karteikarten – Das Analoge schlägt zurück

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Eines Abends konnte eine Nutzerin ihr Handy nicht mehr finden. Es war schon nach der Öffnungszeit und die Verzweiflung groß, daher halfen wir ihr neben dem Rückstellen der Bücher alle Flächen abzusuchen. Natürlich kamen wir nach dem ersten Durchforsten auf das Naheliegende: Wir riefen die Nummer vom Handy an. Von unserem Schalterttelefon aus ließen wir die Nutzerin ihre Nummer eingeben, und tatsächlich vernahmen wir ein zaghaftes Summen von vage irgendwoher. Irritierenderweise schien es aus dem Bestand zu kommen, also: Von zwischen den Regalen. Wir also wie Hänsel und Gretel dem Geräusch hinterher, man fand sich wieder vor dem Privatrechts-Regal: Das Privatrechts-Regal vibrierte und summte in der ansonsten mucksmäuschenstillen Bibliothek, und an dieser Stelle hatte die Szene schon einigermaßen an Horrorfilm-Qualität gewonnen. Kurz bevor selig Franz von Zeiller höchstselbst als Gespenst dem Regal entsteigen konnte, wurde des doch recht irdischen Rätsels Lösung offenbar: Das Handy war in einem Buch stecken geblieben. Die Nutzerin hatte das Buch im Weggehen eilig zugeklappt und so war das Werk samt elektronischer Einlage ins Regal zurück geräumt worden. Ein bestürzender und etwas gruseliger Beleg für die Effizienz, mit der bei uns gearbeitet wird, und der sich seither auch noch in abgewandelten Formen wiederholt hat. Ich aber dachte so bei mir: Das Analoge schlägt zurück! Und diese Begebenheit ist mir heute wieder eingefallen, weil wir nämlich Karteikarten ins Haus bekommen haben.

 

Wie damals beim Vokabeln lernen

Karteikarten (für die Jahrtausendergeneration: Das ist so eine Art Wikipedia, die man auf Zetteln ausgedruckt hat), das kennt man ja heute nicht mehr so, da kaum noch sichtbar damit gearbeitet wird. Tatsächlich sind Karteikarten aber bei Studierenden immer noch ein beliebtes Lernmittel, und es gibt trotz anders lautender Gerüchte immer noch genug Menschen, die das Haptische mögen oder sogar brauchen, die lieber aus gedruckten Büchern lernen, weil sie dort etwas anstreichen und markieren können, usw.

Als Bibliothek machen wir um solche Medien zwar grundsätzlich einen Bogen, denn es lässt sich ja denken was in der freien Nutzung durch lernwütige Bibliotheksbesucher mit so einem Karteikartensatz geschieht. Im vorliegenden Fall lag die Sache aber anders: Diese Karteikarten sind wirklich toll gemacht, es haben Lehrende aus unserem Haus mitgearbeitet, und wir finden es sinnvoll eine Art Belegexemplar in der Bibliothek zu sammeln.

Der natürliche Feind des Buches ist der Nutzer

Natürlich stellten sich bei der Inventarisierung gewisse Fragen: Wie sollen wir das Ganze aufbewahren? Wo bekommt man noch einen Karteikartenkasten her (es wurde ein guter  gefunden), welche Farbe soll er haben (blau natürlich), und vor allem WAS zum Kuckuck schreiben wir in die Signatur..? Die Karteikarten gehören zu den berüchtigten NBM: Non Book Materials, der Alptraum aller Bibliothekare. Darunter fallen CD-Roms (Dank Danzl/Schmerzengeld-Entscheidungen haben wir auch hier einen absonderlichen aber notwendigen Vertreter), Spiele, Gießkannen und auch sonst alles was Sie bei Thalia auf vielen Geschoßen verteilt bekommen, obwohl es eben KEIN Buch im herkömmlichen Sinne darstellt.

In der Signatur steht nun: Auf Anfrage benutzbar in Zimmer (mein Büro), und auf meine abschließende Frage in die Runde, ob man einen elektronischen Sicherungsstreifen auf das Endergebnis unserer Bemühungen aufbringen sollte, bekam ich zur Antwort: „Nein, diese Karteikarten sicherst du mit deinem Leben!“.

Schützend werde ich mich also in Hinkunft vor diese Karteikarten werfen, wenn sie von auf Anfrage Benützenden nicht maßvoll gehandhabt werden. Kommen Sie aber gerne vorbei und nehmen Sie selbst Einsicht! Auf Bald 🙂

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*Titelbild oben: Das gedruckte Lehrbuch stirbt nicht aus: Gefunden in einem offenen Bücherschrank bei Bingen