Heute ist etwas passiert, was in Bibliotheken wirklich nicht so oft vorkommt: Ein Buch aus der hier schon öfter erwähnten Gedächtnisbibliothek Prof. Rill, die im Zuge der Erschließung immer interessanter zu werden scheint, hat sich beim Aufschlagen als sehr alt herausgestellt. Also wirklich alt:
1779.
Unnötig zu erwähnen, dass bibliophilen Fachreferentinnen bei diesem Anblick das Herz höher schlägt.
Das Buch ist sehr leicht, da die Seiten dünn wie Schmetterlingsflügel sind, links ist dafür eine halbe Textilfabrik mit eingebunden. Bemerkenswert bei einem so alten Buch sind auch die Verzierungen und das Impressum, hier eine Buchdruckerin (zumindest sieht sie verdächtig weiblich aus) mit Werkzeug und einem rätselhaften Tier, und dem Leitspruch, frei übersetzt „Weiter durch Arbeit und Gunst“.
Es handelt sich um ein Werk zum Zivilrecht, so weit kommt man auch ohne Stowasser noch. Wie alle Bibliothekare spreche ich selbstverständlich fließend Latein, was mich aber nicht verleitet Ihnen Näheres über den Inhalt preiszugeben. Nur so viel: Was dann geschah, damit hätten Sie nie gerechnet…!
Auf Wikipedia kann man dann dankenswerterweise noch Näheres über den Wiener Buchdrucker Thomas von Trattner erfahren, dass er nämlich auf lizenzrechtlich, sagen wir fragwürdigen Wegen zahlreiche Bestseller seiner Zeit kostengünstig auf den Markt brachte, kostengünstig auch weil teilweise sinnentstellend um Seiten reduziert.
Nicht nur, dass diese Autoren, wie damals üblich, keinerlei Tantiemen bekamen, viele dieser Werke wurden von Trattner nach der österreichischen Zensur „entschärft“ und damit z. T. erheblich entstellt. Dadurch machte sich Trattner besonders in den norddeutschen Gebieten erbitterte Feinde unter den dortigen Buchhändlern und Verlegern, die durch Trattners Nachdrucke deutliche finanzielle Verluste hinnehmen mussten.
Stellen Sie sich vor, Sie wollen den Zivilrechtskodex lesen, und dann endet das Ding in der Mitte und auf der letzten Seite steht „An dieser Stelle ist uns leider das Geld für den Druck ausgegangen.“
Tja. Es waren andere Zeiten.
Ein schöner Fund jedenfalls. Wir glauben, dass es das älteste juristische Buch im Hause sein könnte.