Cyberspace Odyssee

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Die Wenigsten wissen, dass Odysseus zwischen dem Kampf gegen Skylla und Charybdis auch 3 langwierige Updates auf seinem Iphone installieren musste, während ihm garstige Netzbetreiber die neueste Billigtarife in die Ohren brüllten. Sie versuchten ihn mit schnellem Glasfaser-Internet und Flatrates in den Abgrund zu locken, mussten aber letztlich unterliegen. Prüfung 11b: Installieren von Updates auf Endgeräten

Das Analoge und das Digitale

Das Haus das Verrückte macht

Es gibt einen Asterixfilm, der weithin bekannt ist für eine Szene, die offensichtlich in einer Art Irrenanstalt spielt. Der berühmte Passierschein A38, der immer gerne zitiert wird, sobald es um bizarre verwaltungstechnische Hürden geht, er ist fächerüberbreifend zum Inbegriff einer undurchdringlichen Bürokratie geworden, den man in allen Ländern versteht, ganz gleich ob es sich dabei um Poltik und Justiz oder die Verwaltung von Parkplätzen handelt. Bezeichnenderweise heißt die besagte Szene auch „Das Haus, das Verrückte macht“, was beinhaltet, dass die Bewohner des Hauses irgendwann einmal normal gewesen sein müssen.

Die meisten Menschen die irgendwann einmal mit Verwaltung zu tun hatten, sind sofort in der Lage einen Bezug herzustellen, wenn der „Passierschein A38“ erwähnt wird, sie können oft sogar weite Teile des Filmes aus dem Kopf rezitieren, „Passierschein A 38, ja wie er im neuen Rundschreiben B65 festgelegt wurde! Was? Ein neues Rundschreiben B65?..Jaja, eine Formalität, verwaltungstechnischer Art..Hier sind Sie falsch..Da müssen Sie zur Hafenkommandatur. Ein Hafen ist immer da wo Wasser ist..“ und so weiter.

Was indessen niemand berücksichtigt, ist eine Tatsache die für unsereins auf der Hand liegt: Es muss und kann sich bei diesem „Haus das Verrückte macht“ schlichterdings nur um eine Bibliothek handeln. Die Bibliothekare haben im Laufe der Geschichte jene subtile Form von Papierkommunikation auf eine perfide Spitze getrieben, sie sind die wahren Könige dieser Disziplin geworden, selbst wenn sie heutzutage mit einer gewissen Nonchalance ins Digitale wechseln.

Die Bibliothek als Heterotopie

Dem Bibliothekar ist alles eine Bibliothek. Wenn ich zB mit meinem Mann in einer Tankstelle stehe, und die Kaugummis und das Schleckeis dort unordentlich in den Tiefkühlregalen herumkugeln, dann sage ich zu ihm „Das ist eine schlechte Bibliothek“. Gehen wir dagegen an einem botanischen Garten vorbei, in dem die Büsche und Pflänzchen tüchtig sprießen und Gärtner gerade die Weiden stutzen, sage ich „Das ist eine gute Bibliothek“, und ich meine damit „Hier herrschen geregelte Abläufe und eine nachvollziehbare Ordnung“.

Die Bibliothek steht somit für alle Systeme, in denen Dinge nach irgendeiner Art von Strukturprinzip geordnet verwaltet werden: Schulen verwalten Schüler, Parkplätze verwalten Autos, das Oktoberfest verwaltet betrunkene Menschen. Wenn man Heterotopien im Foucault’schen Sinne als  Bedeutungsräume begreift, in denen gewisse kulturelle oder soziale Regeln gelten, und somit eine geistig vorausgesetzte Ordnung gilt, so ist die Bibliothek sicher eine gute Heterotopie, wenn nicht DIE Heterotopie. Nicht zuletzt heißt dieser Blog daher auch „Die tiefere Ordnung der Dinge“. Und Gesetze gelten hier gleich im mehrfachen Sinn, denn wir sind eine juristische Bibliothek.

Es gibt ein Strukturprinzip das alle diesen Dingen innewohnt, und auch diesen Blog von Anfang an bestimmt hat, und es lautet: Das Analoge und das Digitale. Daher sollte ihm schon aus Ordnungsgründen eine eigene Reihe gewidmet werden.

Juristen halten sich nicht an Regeln

Auch Juristen sprechen übrigens gerne von Analogien, meinen damit aber etwas Entfernteres. Im Juridicum kannte ich noch einen Professor, der selbstbewusst überall im Hause Pfeife rauchte, und sich dabei stets auf folgenden Satz berief: „Im Strafrecht gilt das Analogieverbot!“. Die Verbotstafel zeigt ja in der Tat eine durchgestrichene Zigarette, und jenes eine wie „ein Gleiches“ zu bestrafen, diesen Gedanken hat man im Strafrecht nunmal nicht als statthaft erachtet.

Auch wer in juristischen Bibliotheken arbeitet, macht übrigens diese frustrierende Erfahrung: Gerade jene, die Gesetz und Recht treu beforschen, haben in ihrem eigenen Alltag wenig Freude an Regeltreue, oder anders gesagt: Die Juristen schaffen gerne Regelungen, aber sie halten sich nicht ebenso gerne an welche, schon gar nicht an Bibliotheksordnungen. Nirgends auf der Welt werden so viele Bücher von Studierenden gestohlen, wie in juristischen Bibliotheken, nirgends sonst werden der Anstand, der Datenschutz und die Entlehndauer so heftig strapaziert wie hier, wenn der eigene Forschungsbedarf es gebietet.
Und da man letztlich in jedem Beruf immer auch ein bisschen Pädagoge ist: Wer könnte, wer wollte da zürnen..

 

Das Analoge und das Digitale

Das Internet der Dinge

Der Zauber des Analogen

Buchstellvertreter: Ich lasse den Freund dir als Bürgen, ihn magst du, entrinn ich, erwürgen

Das digitale Gedächtnis

Eine Bibliothek ist wie ein gut gestimmtes Orchester

Ebooks sind nicht sexy: Warum man mit mir nicht Zib2 schauen kann und andere bibliothekarische Notfälle

Die Bücher sind entlaufen : Die verwirrende Sprache der Nutzer

Der Herr Eldie

 

 

Horrorfilm für Bibliothekare

„Also, nix für schwache Nerven, hört zu: Es war einmal ein Institut, das hatte einen Praktikanten! Der sollte dort die Loseblattsammlungen pflegen..“
„Wow ist das gruselig, ich fürchte mich jetzt schon..“ (bibber) 
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– „Also der Praktikant pflegte die Loseblattsammlungen…aber er war dabei nicht besonders aufmerksam..{Schluck}
..Er legte die Blätter meistens einfach irgendwie so hinein, und packte den Deckel wieder drauf..wird schon keiner merken, dachte der sich..“ {Bibliothekare zittern}
„Und dann, und dann??“ 

„Also jedenfalls, sein absolutes Glanzstück kam auf dem Gebiet des Strafrechts: Da hatte er irgendwann den Überblick über die Mappen verloren..“ {Ängstliches Raunen der Bibliothekare:}
„Und dann, und dann??“
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– „DANN, jetzt haltet euch fest: legte er einfach StGB und StPO bunt durcheinander IN EIN UND DIESELBE MAPPE!“
KREISCH!!! {Man hört entsetzte Schreie, Stühle knirschen, Kruzifixe fallen von der Wand, Tiere fliehen}
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„Ja, liebe Kinder, so war das damals, und wenn sie nicht gestorben ist, so lebt die Loseblattsammlung noch heute. Der Praktikant hatte irgendwann gekündigt. Die Loseblattsammlung aber spukt in dunklen Institutsecken herum und jagt nach verlorenen Seelen, und führt ihr schauerliches Dasein, als grausiges Halbwesen aus materiellem und formellem Recht! ENDE *
spook.5
*Das StGB enthält auch Bestimmungen die eher dem formellen Recht zuzuordnen sind. Gruselig. 

 

 

 

Vor dem Gesetz

Dieser Tage sind zwei besonders schöne Neuerwerbungen eingetroffen. Das eine ist die Festschrift zum 150jährigen Bestehen der Parlamentsbibliothek (Vorsicht, Kelsen-Content), auf die wir uns schon gefreut haben.


Das andere ist ein feiner kleiner Konferenzband, der sich an die gleichnamige Tagung anschließt: Vor dem Gesetz – Rechtswissenschaftliche Perspektiven zu Franz Kafkas Türhüter-Legende.
Von Kafka liest und hört man in diesem Blog auch immer wieder gerne, denn nicht nur hat das Rechtswesen als solches seine Abgründe, auch der Alltag in der Bibliothek und der Kampf mit der Technik mutet nicht selten kafkaesk an..

Die moderne Variante der Torhüter-Legende

Zu guter Letzt finden wir es anständig und richtig, dass wir nun ein Buch mit dem Titel „Vor dem Gesetz“ in der Bibliothek haben: Ein Buch namens „Hinter dem Gesetz“ haben wir nämlich bereits..

 

Halloween — Der Buchfluch

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Wallofried war ein ganz normaler Student, bis „die Sache“ passierte. Er hatte versucht ein Buch aus der Bibliothek Recht zu stehlen, das er für eine Prüfung brauchte. Wallofried dachte, das würde schon niemand bemerken, ABER: Eines Nachts wuchsen ihm FÜRCHTERLICHE! KLAUEN, und seine Hände, mit denen er das Buch entwendet hatte wurden zu grauenerregenden Tentakeln! Damit nicht genug. Als er die Bibliothek über den Diebstahl des Buches auch noch belog, und versuchte sich herauszureden, da wuchs ihm ein gewaltiger Schnabel, und seine Zähne wurden zu spitzen Hauern! Noch heute geht die Sage von Wallofried dem Garstigen, der an kalten Winternächten in der Bibliothek sein Unwesen treiben soll, und die Seelen von frechen Erstsemestern jagt..Daher liebe Studierende, bevor ihr ein Buch stehlen wollt..denkt daran, wie es dem armen Wallofried erging…denkt an ihn…muhaahahahahahaha (lachend ab)

 

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*Peter suchte anfangs nur einen Gelegenheitsjob, um seine teure Schauspielausbildung zu finanzieren. In der Bibliothek fand er ein Einsatzgebiet, das seinen pantomimischen Fähigkeiten und seinem latenten Sadismus eine nie geahnte Entwicklungsmöglichkeit bot, und so wurde er bald ein unverzichtbarer Teil des Teams.

Die geheime Tür – Stift Admont

Wovon Bibliothekare träumen

Irgendwo zwischen Der Name der Rose und Harry Potter findet man sich hier wieder in den wahrgewordenen Träumen aller Bibliothekare  – Stift Admont. Hier atmet alles Marmor und Wolkendunst, eine Kirche des Wissens mit 70.000 Bänden; mit einem Saal der bald 300 Jahre zählt, und einem Bestand, der wahrscheinlich noch älter ist. Es handelt sich um die flächenmäßig größte Klosterbibliothek der Welt.

Hab ich nun ach Philosophie

Die Deckenfresken zeigen die Naturwissenschaften und Künste, in der Bibliothek herrscht eine strenge Trennung in zwei Abteilungen,  nach profanem und sakralem Schrifttum. Dazwischen veranschaulichen Bronzestatuen den schmalen Grat zwischen  Himmel und Hölle, auf dem die Menschen wandeln. Die sieben Todsünden, vor denen der Erdenmensch sich hüten soll (Gier, Neid, Bücherdiebstahl..) begegnen als anschauliche Allegorien; und auch über das Schicksal der Sünder (Fegefeuer, Ewige Verdammnis) wird wenig im Unklaren gelassen. Der Bodenbelag des Saales besteht aus roten und weißen Karos und ist eine symbolische Anspielung auf die Bibliothek: Er zeigt ein aufgeschlagenes Buch.

Zivilrechtsabteilung
Zu unserer großen Beruhigung findet sich auch eine Abteilung mit juristischen Büchern, die sich auf das einzige wahre und relevante Rechtsgebiet konzentriert: Das Zivilrecht. Da es außer kanonischem Recht zur damaligen Zeit ohnehin noch keine wirklich ausgeprägte Fächerdifferenzierung gab, lässt sich im Prinzip alles Juristische unter „Civilistae“ zusammenfassen. Wie alle Bibliothekare spreche ich selbstverständlich fließend Latein, nemo plus iuris transferre potest, Sie wissen schon.
Eine beliebte Form von Sortiersystem für Bücher, die auch heute noch in Privathaushalten (zB meinem) gepflogen wird, findet sich übrigens oft in historischen Bibiotheken: Die Ordnung nach der Einbandfarbe. Zum Beispiel wurden alle naturwissenschaftlichen Bücher in rot gebunden, die Theologie in grün und Philosophie in blau, usw. Eine ähnliche Aufstellung findet man zB im Prunksaal der österreichischen Nationalbibliothek, und die heutigen Rechtsverlage haben sich im Prinzip seit Jahrzehnten dieser Ordnung verschrieben (Manzrot, Lindegelb, Sramekgrün und Verlag Österreichblau).

Die geheime Tür

Die Stiftsbibliothek in Admont war besonders berühmt für die dort angefertigten Schriften und Abschriften. Für Germanisten mit Hang zum Althochdeutschen lagert hier der berühmte Abrogans, eine Art Synonymwörterbuch.
Im Haus sonst beherbergt ist auch noch eine der größten Insekten- und Pflanzensammlungen, Ausstellungen zu gotischer und auch zeitgenössischer Kunst.

Einen echten Geheimgang gibt es auch: Um den Bibliothekaren ein diskretes Aufsteigen zu den „höheren Buchrängen“ zu ermöglichen, hat man im Regal einfach eine geheime Tür eingelassen, deren Außenseite mit Buchattrappen beklebt ist! Ganz ehrlich: Das ist schon ziemlich cool 🙂 Wie praktisch wäre es, wenn man bei uns zwischen Rummel und Schwimann eine Türe aufklappen und in ein ätherisches Zwischenreich verschwinden könnte..

Über die unanständige Größe des Handapparates bei den Juristen

„Ein Jurist muss quasi wo er geht und steht von einem Regal von Büchern erschlagen werden. Sonst fühlt er sich ja gar nicht wohl!“

Friedrich Torberg

Stellen Sie sich vor, eines morgens erwachte Professor B. aus wilden Träumen. In seinem Badezimmer stand ein Bundesbediensteter, der gerade dabei war die Zahnbürste des Herrn Professor B., seine Seife, Duschgel und Shampooflaschen in eine versiegelbare Plastiktüte zu füllen. Auf erstaunte Nachfrage wurde dem Professor B. mitgeteilt, dass seine Zahnbürste gemeinsam mit anderen Zahnbürsten in ein großes zentrales  Pflegemittellager gebracht würde. Dort sollten alle Zahnbürsten und Pflegeutensilien dieses Straßenstriches zentral verwaltet werden, und aus Effizienzgründen würde der Prof. B. diese Dinge in Zukunft mit anderen Hausbewohnern gemeinsam benutzen müssen. Das wäre zwar eine Umstellung, würde aber im Ergebnis dazu führen dass ALLEN eine größere Auswahl an Zahnbürsten, Waschmittel und Badeschwämmen zur Verfügung stünde. „Aber meine Zahnbürste!“ rief Professor B. empört, bevor man sie einpackte und forttrug..

Sehen Sie, ungefähr so fühlen sich Juristen, wenn man ihnen an ihren Handapparat will. Sie fühlen sich tief getroffen, in dieser intimsten ureigensten Schutzhülle, die zu einem glücklichen juristischen Forschungsleben nunmal conditio sine qua non ist. Die Papierlandschaft, die den Juristen und die Juristin umgibt, sie stellt sich wehrhaft gegen alle neumodischen Tendenzen, die dieser platzraubenden Tradition mit Unfug wie e-books und „Digitalisierung“ zu Leibe rücken wollen. Papierne Trutzburgen gegen den Medienwandel.

Schutz und Schirm  – Der Handapparat

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Mediendämmerung – Eine Doppelkultur

Dass Juristen dazu neigen einen Haufen Bücher um sich herum zu horten, wird an einer Universität auch heutzutage niemanden erstaunen und so ist der digitale Medienwandel der vergangenen Jahre an der juristischen Printlandschaft einigermaßen geräuschlos vorbeigezogen, ohne größeren Schaden zu hinterlassen. Vielmehr haben die juristischen Verlage die neue Technologie als willkommenes Spielzeug für moderne Geister in ihre ursprüngliche Papierkultur integriert, aber so ganz traut man der Sache mit diesem Internet ja nun doch nicht. Und so versorgen die Verlage die juristische Forschungsgemeinde nun umso gerner mit beidem: E und Print!

Ein bewegliches System

Für Außenstehende sollte das Spiel „Handapparat“ an dieser Stelle noch kurz erklärt werden: Alle paar Jahre wird eine Universität vom Effizienzgedanken geplagt, und man beschließt den Wildwuchs von zahlreichen kleinen Instituts- und Fachbereichsbibliotheken zu einer großen Bibliothek zusammenzuführen. Die Institute (wenn es sich dabei um Juristen handelt) reagieren auf diese Umstellungsphantasie mit wildem Zorn und Ablehnung, sie drohen mit Aufstand, mit den Medien und dem Weltuntergang. Um sie zu besänftigen, verspricht man ihnen von Rektoratsseite mehr Budget und neue Services, und von Bibliotheksseite große, schöne, ehrfurchtgebietende Handapparate.

Nach einigen Jahren haben sich alle vom Schock der Veränderung erholt, die Universität steht noch, und die Welt ist auch nicht untergegangen. Die versprochenen Handapparate sind von Größe und Inhalt kaum von den verloren gegangenen Institutsbibliotheken zu unterscheiden, und die neue Zentralbibliothek nützt nun auch den Studierenden etwas, die endlich Zugang zu Büchern unter einer ordentlich aufgereihten Signatur gewonnen haben. Ob die gewünschte Effizienz dadurch wirklich eingetreten ist, sei dahin gestellt (und sowieso lassen Juristen gerne etwas dahin gestellt, denn dort steht es meist gut). Das Geld wird nun nicht unbedingt weniger, aber an anderen Stellen investiert, und im Rektorat sitzen schon wieder neue Leute, denen die Vergangenheit keine grauen Haare wachsen lässt. Weil aber alle auch immer ein bisschen bestraft werden müssen, zwingt man die Juristen ihre Handapparate selbst zu verwalten, was sie mit wechselndem Erfolg tatsächlich auch versuchen, die meiste Zeit aber der Bibliothek andingen wollen, die schließlich auch bestraft werden soll.

Gewissermaßen, ein sehr österreichisches System.


Der Handapparat: Werkzeugkoffer und Erinnerungslandschaft

Es ist jetzt nicht so, dass die juristischen Forscherinnen und Forscher diese Handapparate nicht bräuchten. Zunächst mal ist der Handapparat die einzige Möglichkeit die absolut notwendige Forschungsliteratur vor den frechen Studenten überhaupt irgendwie einigermaßen in Sicherheit zu bringen, und wer könnte das verübeln. Es mag zwar schon der ein oder andere Dissertant mit einem glücklich eroberten Festschriftenbeitrag in der Hand wieder zwischen zwei Regalen hervorgekullert sein, aber die Regel ist das eher nicht.

Der Handapparat gehört auch selten einer Person. Vielmehr ist der Handapparat eine Art Feigenblatt, hinter dem sich mengenmäßig locker die ursprünglich vorhandene Institutsbibliothek verbergen lässt. Und so wie Satelliten um einen Planeten kreisen, kreisen die AssistentInnen um den Handapparat des Lehrstuhlinhabers, der auch seinen Namen für das Gemeinschaftsprojekt hergibt. Wie eine Krake erstreckt eine solche Handbibliothek oft ihre Arme und Tentakel auf verschiedene Zimmer und Büros eines Stockwerks.  In extremen Fällen wird der Name des ursprünglichen Handapparates sogar weit über die Emeritierung des ersten Inhabers fortgeführt, was kecke Bibliothekarinnen gerne verleiten könnte, da und dort ein Schild anzubringen: Begründet von.

 

Wer hat den Längsten?

Gut, das war jetzt ein bisschen sehr vulgär. Tatsächlich ist ein Handapparat nicht selten auch ein Prestigeobjekt, an dessen Umfang problemlos das Ansehen und die Position der Inhaber/in in der Institutshierarchie  abgelesen werden kann.
Auch wer Kinder- oder Auslandshalber für einige Zeit aus dem Forschungskarussel aussteigen muss, tut gut daran beizeiten eine entsprechende Menge von Büchern in seinem Büro zu bunkern, um zudringlichem Forschungsnachwuchs Respekt zu gebieten und das eigene Revier zu markieren.

Nicht selten ist der Handapparat aber auch eine kollektive „Erinnerungslandschaft“, in der die Erstausgaben des dazumal hier entstandenen Lehrbuchs, Herausgeberschaften und Mitarbeit an Kommentaren aufbewahrt, und das Forschungsleben am Institut erinnert und gespiegelt wird.

Über Kern und Hof

Wie die meisten juristischen Institutionen hat auch der Handapparat einen mehr oder weniger fixen „Kern“ und einen „Hof“, welcher den Kern umgibt, und Wechselfällen des Schicksals (wie Neuauflagen oder Schwund) unterworfen bleibt. In die Bibliothek zurück gelangt niemals der „Kern“, sondern immer nur der „Hof“, und selbst das geschieht nur wenn am Institut der Platz ausgeht, neue Kollegen ein Büro oder ein Regal beanspruchen, oder Werke aus der zweiten Reihe aufgrund Zustands oder Überalterung genügend an Interesse verloren haben, um sie wieder in den allgemeinen Bibliotheksbestand einzugliedern.

Dort steht dann oft schon ein Exemplar desselben Werkes, denn die Bibliothek hat in der Zwischenzeit nicht geschlafen sondern für die armen Studierenden entsprechende Lesesaalwerke erworben. Einer kundigen Sichtung durch Fachreferentinnen muss eine solche Handapparats-Abgabe daher immer unterzogen werden, um den Bibliotheksbestand vor einer Entwicklung ins Museale zu bewahren.
Und falls Sie bis zu dieser Stelle gelesen haben, dann sind Sie entweder juristisch oder bibliothekarisch vorbelastet, oder beides. Und verdienen jedenfalls die Information, dass das einleitende Zitat von Torberg selbstverständlich frei erfunden war. Irgendwie muss man die Leute ja herlocken..img_0045